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Griechenland zeigt einmal mehr dass es unmöglich ist die kapitalistischen Angriffe über Wahlen und auf dem Weg des Reformismus zu bekämpfen

Kommunikee der IKP zu Griechenland - Anlässlich des "Referendums" vom 5. Juli und dem Brüsseler "Abkommen” vom 13. Juli 2015

Im Nachstehenden veröffentlichen wir das Kommunikee der (bordigistischen) Internationalen Kommunistischen Partei (Le Prolétaire) anlässlich des griechischen "Referendums" vom 5. Juli und dem Brüsseler "Abkommen" vom 13. Juli.

Obgleich die Mitarbeiter von Kontroversen die von der IKP vertretenen spezifischen Auffassung der "Invarianz" des Marxismus bzw. bezüglich (der Rolle) der kommunistischen Partei als solche nicht teilen, erachten wir ihre Analyse der jüngsten Ereignisse in der ’Eurokrise’ von Interesse für Diskussionen im proletarisch-internationalistischen Lager, wegen ihrer:

1. Inbetrachtnahme der internationalen Lage, sowohl auf der ökonomischen wie auf der imperialistischen Ebene;

2. Klarheit bezüglich des Klassencharakters und des Gewichts der Mystifikation des Demokratismus und der Rolle der (ultra-) Linken in Griechenland wie anderswo;

3. Klarheit über den Einsatz und den Verlauf der Brüsseler Unterhandlungs-Scharmützel;

4. Aussage zu der harten Lehre die die Proletarier aus dieser Niederlage zu ziehen haben.

Wir bringen dieses Kommunikee unseren Lesern zur Kenntnis als Beitrag und zur Anregung von Debatten im internationalistischen Milieu.

Jac. Johanson, 11. August 2015.

P.S. Es bleibt uns etwas rätselhaft warum das Kommunikee zwar die Ergebnisse des improvisierten "Referendums" vom 5. Juli meldet, jedoch keine Schlüsse zieht aus der Tatsache dass die Abstinenzrate (37,5% der Wahlberechtigten) der angeblich so siegreichen Nein-Stimme (36,1%) gar etwas überlegen gewesen ist. (*)

(*) https://en.wikipedia.org/wiki/Greek_bailout_referendum,_2015

Verraten durch Tsipras?

Am Ende einer so-und-so-vielten "historischen" Marathonsitzung der Brüsseler Unterhandlungen zwischen der griechischen Regierung und ihren Gläubigern wurde aufs neue ein "endgültiges" Abkommen getroffen "um die griechische Krise zu lösen": Regierungschef Tsipras und sein Team sind dabei gelandet, als Vorbedingung für neue Kredite an den nahezu bankrotten griechischen Staat, einen Sparplan zu akzeptieren der noch viel härter ist als der, den er eine Woche zuvor abgewiesen hatte, und wogegen er angeblich ein Referendum organisiert hatte! Der einzige Punkt in dem er anscheinend etwas konkretes erreicht hat, betrifft Einschnitte in die Militärausgaben: die Gläubiger haben akzeptiert dass diese weniger tief werden als sie verlangt hatten...

Viele, einschließlich jene unter den "linksextremen" Strömungen die behaupteten keine Illusionen zu haben in Tsipras und seine Regierung schreien nun Verrat. Doch nur diejenigen können sich verraten fühlen die die demagogischen Reden dieser Partei und ihres Chefs für bare Münze gehalten haben.

Syriza, die sich als Partei der "radikalen Linken" bezeichnet, unterscheidet sich in Wirklichkeit nicht von einer klassischen reformistischen Partei: sie möchte den Kapitalismus nicht schlagen sonder verbessern, ihn reformieren: ihr Traum ist der Traum aller Reformisten, der eines Kapitalismus mit menschlichem Gesicht, der Traum aller Kollaborationisten einer brüderlichen Zusammenarbeit zwischen allen Bürgern, oder wenigstens der überwältigenden Mehrheit unter ihnen. Doch es gibt den Traum und die Wirklichkeit, und in der Wirklichkeit kann man den Kapitalismus nicht ändern - es sind nur einige Detailreformen möglich, zudem unter der Bedingung dass sie nicht viel kosten - man bekämpft ihn oder man unterwirft sich!

Da Syriza niemals die Absicht gehabt hat den Kapitalismus zu bekämpfen, konnte sie sich, und die Arbeiter die ihr Vertrauen in sie gestellt hatten, ihm nur unterwerfen. An die Macht gekommen mit der Behauptung der Austerität und der Wirtschaftskrise die die Proletarier und bestimmte kleinbürgerliche Schichten trifft, ein Ende zu bereiten, verkörperte Syriza die Illusion dass ein einfacher Regierungswechsel, auf friedlich-demokratischem Wege über Wahlen erlangt, eine bedeutende Verbesserung der Lage der Massen herbeiführen könne. Die Bildung ihrer Regierung auf der Basis einer Allianz mit einer rechtsextremen, militaristischen und pro-religiösen Partei (ANEL) hätte genügen sollen um eventuelle Zweifel am "radikalen" Charakter Syrizas zu zerstreuen.

Über lange Monate hinaus hat jedoch die Regierung die Komödie der Verteidigung der Arbeiter gegen die Gläubiger des Landes aufgeführt, die sie vorgab davon überzeugen zu können einen Teil ihrer Forderungen aufzugeben und neuen Finanzhilfen zuzustimmen. Während die Lage der Proletarier und der arbeitenden Massen nicht aufhielt zu verschlechtern, gab es einen wirklichen sozialen Waffenstillstand, einerseits wegen der unaufhaltsamen Schläge die die Proletarier in diesen letzten Jahren haben einstecken müssen, andererseits wegen der Hoffnungen die viele in Syriza stellten.

In Wirklichkeit verteidigten die griechischen Unterhändler jedoch die Interessen des nationalen Kapitals und nicht die der Proletarier oder der Bevölkerung. Davon zeugt die Tatsache dass sie letztendlich leichter die antisozialen und anti-proletarischen Maßnahmen akzeptiert haben als jene welche die besonderen kapitalistischen Interessen schaden. So haben sie zum Beispiel mit Hand und Fuß das Steuerprivileg der Reedereien verteidigt, die Militärausgaben und die Handhabung von niedrigen Mehrwertsteuern auf touristische Aktivitäten. Die Sparmaßnahmen für den Schuldendienst haben schreckliche Konsequenzen für die Gesamtwirtschaft gehabt, und den Untergang tausernder Unternehmen mit sich gezogen: zahlreiche Kapitalisten fordern eine Politik der Ankurbelung der Konjunktur und nicht länger des Sparens.

Aber die Unterhandlungen und die Abkommen zwischen Bourgeois oder zwischen bürgerlichen Staaten - auch wenn sie "Partner" innerhalb einer "Union" sind ! - sind immer auf Kräfteverhältnisse gegründet. Der kleine griechische Kapitalismus hat kaum die Kraft den Forderungen der großen europäischen Kapitalismen längere Zeit zu widerstehen, vor allem nicht da sein Staat an der Schwelle des Bankrotts steht.

Als die Gläubiger ende Juni die Tsiprasregierung quasi vor das Ultimatum stellten ihren Plan zu akzeptieren, antwortete diese darauf mit einem Referendum über diesen Plan und dem Aufruf eine Nein-Stimme abzugeben. Dieser Entschluss wurde von einem ganzen Teil der europäischen Linken und extremen Linken enthusiastisch begrüßt, der darin die Möglichkeit sah dass ein "Volk" das Europa der Austerität und der Finanz demokratisch abweist, und sogar aus der "Zwangsjacke des Euros" steige. Doch Tsipras erklärte deutlich dass das Referendum gehalten wurde, nicht um mit den Gläubigern zu brechen, sondern um die Unterhandlungen mit ihnen fortzuführen aus einer demokratisch erstarkten Position.

In der Kampagne für das JA fanden sich die traditionellen bürgerlichen Parteien zusammen (die Sozialisten der PASOK und die Rechte der Neuen Demokratie) und andere (die "Zentristen" der To Potami), die Unternehmerverbände doch auch die Gewerkschaftsführung des Privatsektors, die großen Medien... allesamt unterstützt von den europäischen Regierungen. Als Verfechter des NEIN traten, außer Syriza, die Neofaschisten der ’Goldenen Morgenröte’ und die kleinen linksextremen Gruppen an, einen Teil der Anarchisten einbegriffen. Die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) lehnte Teilnahme an der Kampagne für das NEIN ab, mit der (richtigen) Behauptung dass die Vorschläge der Regierung nicht mehr wert sind als die der Gläubiger. Sie rief dazu auf ungültig zu votieren (das wesentliche ist die Beteiligung!), was nach ihr ein Mittel sei um ein "doppeltes Nein" zum Ausdruck zu bringen. und ihre eigene nationalistische Perspektive eines Austritts aus der EU zu verteidigen.

Das weitere ist bekannt: die Verfechter des NEIN haben einen klaren Sieg errungen (beinahe 60% NEIN-Stimmen, 6% Blanko oder ungültig, das JA erlangte nur 36% der Stimmen; die (vermindernde) Wahlenthaltung lag bei 38%). Auf dem großen Syntagmaplatz in Athen gab es Freudenszenen von Wählern die davon überzeugt waren den Verteidigern der Austerität einen schweren Schlag versetzt zu haben, vor allem den traditionellen Parteien die in den letzten Jahren abwechselnd die Regierung gestellt hatten. Die Organisationen der europäischen Linksradikalen haben diesen Wahlsieg ebenfalls gefeiert. Wir zitieren hier aus den Erklärungen der Rifondazione Comunista in Italien, die stellvertretend sind für die der französischen Front de Gauche, der spanischen Podemos, usw.: "Der Sieg des NEIN in Griechenland bedeutet der Sieg der Demokratie und der Würde des griechischen Volks gegen den Finanzterrorismus der Troika. Es ist ein historisches Ergebnis für Griechenland und für die europäischen Völker."  [1]

Nachdem er seinen etwas zu hohe Töne anschlagenden Finanzminister entlassen hatte, rief Regierungschef Tsipras nur wenige Stunden nach diesem historischen Sieg der Demokratie alle Parlamentsparteien zusammen, von der Linken bis zur Rechten, mit Ausnahme der "Goldenen Morgenröte’. Außer der KKE sagten alle ihm ihre völlige Unterstützung bei den Verhandlungen mit den Gläubigern zu um Griechenland in der Eurozone zu behalten... auf Grundlage des Plans jener Gläubiger! In der Wahlurne besiegt, triumphierte das JA in den Fakten! Es ist schwierig um sich eine eklatantere Demonstration von Wahl-Illusionen und von der desorientierenden Rolle des Wahlzirkus vorzustellen...

Indem sie die Einstimmung der alten bürgerlichen Parteien erlangte, wurde Syriza zum Vertreter einer wirklichen nationalen Einheit, der Verteidiger der Interessen der gesamten griechischen Bourgeoisie gegenüber den Europäern. Da Absichtserklärungen nicht ausreichten, präsentierten die Unterhändler in Brüssel einen präzisen, detaillierten Plan, unter Anleitung von hohen französischen Funktionären, der alle Punkte akzeptierte die eine Woche zuvor als Ultimatum verschrien worden waren. Doch am Anfang der Unterhandlungssitzungen wurde dieser durch die deutschen Vertreter abgewiesen, die einen anderen Plan vorlegten, der von einem "vorübergehenden" Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone ausging (über fünf Jahre), denn nach ihnen gab es kein "Vertrauen" mehr in die Griechische Regierung: Für die Kapitalisten basiert das Vertrauen auf Unterwerfung.

Es bedurfte weitläufiger und unendlicher Verhandlungen bis die deutschen Führer diese Perspektive aufgaben und akzeptierten dass Griechenland in der Eurozone bleibt. Im Gegenzug zwangen sie den griechischen Führern drastische und erniedrigende Maßnahmen auf, die dafür zahlen müssen dass sie es gewagt hatten jene herauszufordern.

Als gute reformistische Lakaien akzeptierten die griechischen Vertreter letztendlich alles was man von ihnen verlangte. Das war keine Kapitulation, denn die Tsiprasregierung hatte ja in Wirklichkeit schon vor Anfang der Unterhandlungen kapituliert als sie, bei der Wählerschaft siegend, durch alle Parteien gerüstet worden war, insbesondere durch jene die zur JA Stimme aufgerufen hatten. Es war auch keine Kapitulation hinsichtlich der Verteidigung der Proletarier und der verarmten Massen - was nie das wirkliche Ziel von Syriza gewesen ist - sondern eine Aufgabe der Weigerung alle Forderungen der Gläubiger zu akzeptieren und des Strebens eine Erleichterung der Schuldenlast zu erlangen.

Wir schrieben schon dass “die Regierung Syriza-ANEL keine Alternative hat: sie muss sich dem Druck der mächtigsten bürgerlichen Staaten unterwerfen wenn sie nicht aus der Eurozone rausgeworfen, oder von einer nachgebenderen Regierung abgelöst werden will. (...)( Syriza sieht sich in der unkomfortablen Lage versetzt sich entscheiden zu müssen entweder offen die Interessen der Proletarier und der arbeitenden Massen anzugreifen, oder die des Kapitalismus. Wie alle reformistische Parteien die unlösbar verbunden sind mit der Verteidigung der kapitalistischen Produktionsweise, kann sie nur die Arbeiter angreifen, indem sie sich das Vertrauen zu nutze macht das diese ihr erbringen. Das ist die Rolle die die Bourgeoisie ihr zuteilt, in Griechenland und international, die ihre Regierung nur so lange toleriert wie sie diese Rolle auch erfüllt.” [2]

Auf den Beweis für diese einfache Vorhersage hat man nicht sehr lange warten brauchen: Es scheint dass während der letzten Verhandlungen bestimmte Staaten und "Institutionen" damit gedroht haben die Anstellung einer neuen Regierung zu erzwingen, vielleicht eine "technische Regierung", falls die griechischen Führer sich den Forderungen der Gläubiger widersetzen. Doch andere haben wahrscheinlich zur Geltung gebracht dass Tsipras und seine Gefolgschaft, gestärkt durch ihren "Wahlsieg", am besten geeignet wären den proletarischen Massen die bittere Pille schlucken zu lassen: genau dazu dient die Demokratie.

Interimperialistische Widersprüche

Die Brüsseler Verhandlungen verliefen besonders stürmisch, da sich zwei Gruppen von Ländern gegenüber standen über das Schicksal Griechenlands: Einerseits Deutschland mit seinen Alliierten der nördlichen Länder, die das Austreten des Landes aus der Eurozone anvisierten, andererseits Frankreich, unterstützt von Zypern und Italien, die hiergegen opponierten. Einige haben darin ein Gegensatz zwischen zwei Auffassungen von Europa sehen wollen: einerseits die Anhänger der finanziellen Orthodoxie und des Respektierens der Verträge, andererseits die Anhänger der Völkersolidarität.

Die Wirklichkeit ist jedoch eine andere. Bei der "Verteidigung Griechenlands" gegen die Vertreter Deutschlands verteidigte Paris mitnichten das griechische "Volk", geschweige denn die griechischen Proletarier: die Vorschläge die die griechische Regierung unterbreitete waren in Zusammenarbeit mit französischen Vertretern ausgearbeitet und umfassten alle anti-sozialen und arbeiterfeindlichen Maßnahmen die die europäischen Gläubiger verlangt hatten. Im Laufe der Verhandlungen benutzte der französische Finanzminister das Argument dass, wenn Griechenland aus der Eurozone austreten würde, es seine Schulden nicht abtragen könne. Doch am beunruhigensten war für Paris und Rom dass ein Ausstieg aus der Eurozone wirtschaftliche Unruhen in ihr nach sich ziehen würde, die den schwachen Hoffnungen auf ein Wiederansteigen des Wachstums in Frankreich und Italien einen schweren Schlag zubringen würde. Die vorgebliche "Verteidigung Griechenlands" bestand nur aus der Verteidigung der nationalen kapitalistischen Interessen Frankreichs und Italiens!

Der Standpunkt der deutschen Regierenden war ein anderer weil die Gesundheit ihrer Wirtschaft es ihnen erlaubt hätte den Schock eines "Grexit" ohne all zu viel Schmerzen zu ertragen. Es ging ihnen vor allem darum, über die wenig glänzende Perspektive hinaus an Griechenland à Fonds perdu ergänzende Kredite zu verleihen, einen Präzedenzfall zu schaffen gegen Regierungen anderer, größerer Länder, wie zum Beispiel Spanien. Daher ihre Bereitschaft um, wenn ein Grexit nicht stattfinden sollte, Griechenland zu strafen mit Bedingungen als Warnung an diejenigen die zur Nachahmung versucht sein sollten...

Letztendlich übten die Vereinigten Staaten von Amerika Druck auf Deutschland aus um Griechenland nicht aus der Eurozone zu stoßen und um seine Schulden zu vermindern. [3] Das stimmt überein mit ihrer traditionellen Position die Europäer dazu zu drängen ihre Austeritätspolitik zu verlassen und Maßnahmen zur Wiederankurbelung der Wirtschaft zu ergreifen, und so eine Rolle als Lokomotive gegenüber dem abschwächenden weltweiten Wirtschaftswachstum auf sich zu nehmen. Doch in diesem besonderen Fall erklärt sich ihre Position an erster Stelle aus der Sorge zu verhindern das ein NATO-Mitglied in einer strategischen Schlüsselstellung in einen wirtschaftlichen Morast versinkt der seine militärischen Kapazitäten schwächen würde. Die USA wollten sich jedoch nicht direkt in die Verhandlungen einmischen, wie Tsipras von ihnen verlangte, der sogenannte Vertreter der "radikalen Linken" der sich im Amerikanischen Imperialismus eine solide Stütze erhoffte...

Kein einziger dieser Staaten konnte sich um die Lage der Proletarier und der griechischen Massen kümmern, denn alle haben sie die Funktion die kapitalistische Produktionsweise gegen ihre eigenen Proletarier und die der von ihnen dominierten Länder zu verteidigen!

Alle bürgerliche Staaten und alle besitzenden Klassen sind Feinde der Proletarier

Die griechischen Proletarier haben eine harte Lektion erteilt bekommen deren Lehren für die Proletarier der ganzen Welt gültig sind. Sie ist in Einklang mit dem Marxismus: es ist unmöglich sich gegen die kapitalistischen Angriffe zu wehren - egal ob sie von ihren eigenen Kapitalisten unternommen werden oder, im Namen der höheren Interessen des Kapitalismus, von ausländischen Kapitalisten - indem man sich auf die Mechanismen der parlamentarischen Demokratie verlässt. Der Stimmzettel ist nur ein Fetzen Papier mit dem man in keinerlei Weise den bourgeoisen Interessen trotzen und die sozialen Widersprüche lösen kann. Eine sogenannte "Klassenabstimmung", wie sie zugunsten des NEIN von der extremen Linken Europas begrüßt wurde, ist eine traurige Illusion. Der Klassenkampf spielt sich nicht im geschlossenen Raum des Parlaments ab, doch in den Fabriken, in den Unternehmen und auf der Straße. Man kann die kapitalistischen Forderungen nicht sanfter machen indem man die Bourgeois erweicht durch die Schilderung der Leiden der Bevölkerungen. Was, wie es scheint, die griechischen Unterhändler in Brüssel versuchten, und worauf ihnen nur mit Schulterzucken geantwortet wurde - die Proletarier bluten zu lassen, einverstanden, aber nicht zu viel! Die Proletarier haben kein Erbarmen oder Mitleid von Seiten der Kapitalisten und ihren Dienern erwarten, doch nur Schläge. Diese können mehr oder weniger brutal sein, doch das ist nur ein gradueller Unterschied in Folge einer etwas anderen Methode: die reformistische Methode ist sanfter, um nach Möglichkeit das Ausbrechen von sozialen Konfrontationen zu verhindern. Doch wo die bourgeoisen Interessen zu dringlich sind, greift auch die reformistische Methode zu den Mitteln des Diktats, und wenn Konfrontationen drohen, zu Gewalt und Repression: Tsipras ist nur das so-und-so-vielte Beispiel.

Der "Rettungsplan" der letztendlich in Brüssel beschlossen wurde, mit all seinen Opfern die er den Proletariern und den Massen aufbürdet (Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre für manche und Kürzung der Renten von Staatsangestellten; neue Einschnitte in in die Sozialmaßnahmen; Erhöhung von Preisen und Steuern, usw.), und ebenfalls bestimmten Schichten der kleinen und mittleren Bourgeoisie; mit seinen Einschränkungen der Souveränität des griechischen Staates (zum großen Skandal der Nationalisten der "extremen Linken") werden die Problemen des griechischen Kapitalismus nicht lösen. Zahlreichen Ökonomen zufolge wird er sie gerade verschlimmern, indem er die Wirtschaftsdepression, die das Land schon seit mehreren Jahren erleidet, noch verschärft. Das ist jedenfalls die Ansicht des Internationalen Währungsfonds (I.W.F.) der, nachdem er mit seinem ganzen Gewicht die Regierung in Athen gedrängt hatte dieses einzugestehen, in einem am 14 Juli veröffentlichten Bericht – der den Verantwortlichen Europas während der Verhandlungen bekannt war - einschätzte dass dieser Plan nicht lebensfähig ist, wenn die europäischen Staaten nicht einer Reduktion oder einem Erlass der griechischen Schulden zustimmen sollten - was sie hartnäckig verweigert haben! Neue griechische Krisen sind also unvermeidbar, mit ihren Anteilen von arbeiterfeindlichen Maßnahmen...

Die griechische Krise ist nur die extreme Erscheinungsform der allgemeinen Krise des Kapitalismus in Europa und in der Welt. Darum kann die genauso bourgeoise Alternative eines Ausstiegs aus der Eurozone bzw. aus der Europäischen Union für die Proletarier keine Lösung sein. Was möglich ist für einen so mächtigen imperialistischen Staat wie Groß-Großbritannien: seinen Wohlstand auf eine unabhängige Währung gründen und darauf ansteuern die EU zu verlassen; ist es nicht für den schwachen griechischen Kapitalismus. Die gnadenlosen Gesetze des kapitalistischen Marktes, in dem in Krisenzeiten nur die Stärksten überleben, würden ihn vielleicht mit noch mehr Gewalt treffen, wenn Griechenland die kapitalistische Allianz genannt Europäischen Union verließe. Der griechische Kapitalismus, privat oder staatlich, müsste seinen Proletariern noch brutaler Mehrwert auspressen im Namen der Verteidigung des Vaterlandes - in Wirklichkeit um seinen Konkurrenten auf dem Weltmarkt zu widerstehen.

Es gibt keine bourgeoise Lösung für die Degradierung der Lebensverhältnisse und der Lage der Proletarier, die sich auf mehr oder weniger nachdrückliche Weise in allen Ländern bestätigen lässt. Die Verteidiger der Klassenzusammenarbeit, ob sie nun zur "radikalen Linken" gehören oder zum traditionellen "Reformismus", können nur an dieser Degradierung mitarbeiten, denn die Zusammenarbeit zwischen den Klassen bedeutet Unterwerfung unter die herrschende Klasse: Es ist nicht zufällig dass Pablo Iglesias, der Führer der spanischen Podemos, dem Verhalten Tsipras zugestimmt hat...

Für die Wiederaufnahme des Klassenkampfes,
Für die Bildung der internationalen Klassenpartei!

Für die Proletarier gibt es keine andere Lösung als zu brechen mit der Klassenzusammenarbeit und mit allen Parteien und Gewerkschaften die diese unterstützen, um den Weg des antikapitalistischen Kampfes einzuschlagen. Nur durch offenen Kampf ist es möglich den Kapitalisten und ihren Staat die Stirn zu bieten und sie zu besiegen, indem man die Kampfweisen, Mittel und Ziele de Klassenkampfes aufnimmt: Unnachgiebige Verteidigung der spezifisch proletarischen Interessen, unabhängige Organisation der Klasse, sowohl auf der Ebene des unmittelbaren Verteidigungskampfes wie auf der des allgemeineren antikapitalistischen Kampfes; Bildung der politischen Klassenpartei, internationalistisch und international, in Verbindung mit den Proletariern aller Länder, um den Kampf bis zum revolutionären Sieg zu führen.

Dieser Weg ist nicht einfach, doch es ist der einzig realistische Weg, da die Tatsachen ein weiteres Mal gezeigt haben, dass der reformistische Weg der Zusammenarbeit und des Nationalismus eine tödliche Utopie ist die nur der Bourgeoisie dient.

Internationale Kommunistische Partei, 18/7/2015
www.pcint.org

Übersetzt aus dem Französischen, 05/08/2015.

[2Stellungnahme vom 27/4/2015, www.pcint.org

[3Der deutsche Finanzminister hat hierauf geantwortet mit einem Hinweis auf die Lage Puerto-Ricos: dieser kleine Staat, der den Status hat mit den USA "assoziiert" zu sein, ist auch so gut wie bankrott, doch Washington weigert sich ihn zu helfen.