Forum für die Internationalistische Kommunistische Linke
„Zahlen fallen nur in die Waagschale, wenn Kombination
sie vereint und Kenntnis sie leitet.“ (Karl Marx, Inauguraladresse der IAA, 1864).
„Es kann keine gröbere Beleidigung, keine ärgere Schmähung gegen die Arbeiterschaft ausgesprochen werden als die Behauptung: theoretische Auseinandersetzungen seien lediglich Sache der „Akademiker“ […] Die ganze Macht der modernen Arbeiterbewegung beruht auf der theoretischen Erkenntnis.“ (Rosa Luxemburg, Vorwort zur ersten Ausgabe von Sozialreform oder Revolution?, 1899).
Der Marxismus ist sowohl eine Methode der Analyse als auch eine Waffe im Kampf um die Emanzipation des Proletariats: er ist weder eine Theorie die in Hinterstübchen ausgeheckt wird, noch eine unüberlegte Agitation. Überlegungen und Aktionen sind untrennbar mit einander verbunden. Die theoretische Dimension vom politischen Engagement trennen, liefe entweder auf Intellektualismus oder auf prinzipienlosen Aktivismus hinaus. Die Welt von einem Klassenstandpunkt aus zu begreifen, hat nur Sinn in der Perspektive ihrer Umgestaltung. Das eine geht nicht ohne das andere: die sozialen Kämpfe und das politische Engagement in ihrer Mitte nähren die politische Ausarbeitung. Umgekehrt befruchtet und leitet letztere die Aktion. Obgleich diese zwei Seiten des Marxismus untrennbar sind, variiert die Bedeutung die einer jeden zufällt abhängig vom Kräfteverhältnis zwischen den Klassen und von der Lage der revolutionären Vorkämpfer.
Heutzutage bestehen die zwei wichtigsten Aufgaben darin, wieder anzuknüpfen an die Entwicklung „des Marxismus in allen Domänen der Erkenntnis“ (Bilan) und die Debatte unter Revolutionären zu entwickeln in „der Sorge eine gesunde politische Polemik zu bestimmen“ (Bilan). [1]
Nach dem Ebenbild unserer Vorgänger der Italienischen Linken und der Deutsch-Holländischen Linken lassen sich diese zwei Aufgaben weder im Hinterzimmer noch in Absonderung bewältigen: sie verlangen Methode und Offenheit. Sie müssen heute präzisiert werden im Lichte der Diskrepanz die sich unter den Gruppen der Internationalistischen Kommunistischen Linken entwickelt hat zwischen den Notwendigkeiten, die in der wirtschaftlichen und sozialen Situation enthalten sind, und in der theoretischen Rückständigkeit, bzw. den organisatorischen Schwierigkeiten welche in diesen Gruppen grassieren. Vier Schwerpunkte erscheinen uns von grundlegender Bedeutung um die zwei Aufgaben der Stunde erfolgreich zu bewältigen:
1) Weil sie ausgebeutete gesellschaftliche Klasse ist, wird das Proletariat die Waffen seiner Kritik wesentlich aus seinen eigenen Kampferfahrungen schöpfen und sie damit bereichern:
„Gigantisch wie seine Aufgaben sind auch seine Irrtümer. Kein vorgezeichnetes, ein für allemal gültiges Schema, kein unfehlbarer Führer zeigt ihm die Pfade, die es zu wandeln hat. Die geschichtliche Erfahrung ist seine einzige Lehrmeisterin, sein Dornenweg der Selbstbefreiung ist nicht bloß mit unermeßlichen Leiden, sondern auch mit unzähligen Irrtümern gepflastert. Das Ziel seiner Reise, seine Befreiung hängt davon ab, ob das Proletariat versteht, aus den eigenen Irrtümern zu lernen. Selbstkritik, rücksichtslose, grausame, bis auf den Grund der Dinge gehende Selbstkritik ist Lebensluft und Lebenslicht der proletarischen Bewegung.“ [2]
Die revolutionäre Theorie umfaßt eine grundlegende kumulative Dimension, die dazu zwingt um die neuen Überlegungen als Fortsetzung der früheren Errungenschaften auf zu fassen. Jede Bestätigung oder Aktualisierung der Grundlagen des Marxismus verläuft also über ein notwendiges in Erinnerung bringen des Analytischen Rahmens der in der Vergangenheit erarbeitet worden ist.
2) Als dominierte Klasse verfügt das Proletariat über keine Mittel oder Instrumente um eine Wissenschaft im Dienste seiner theoretischen Bedürfnisse zu entwickeln, mit Ausnahme seiner eigenen Kampferfahrungen. Es ist gezwungenermaßen jener Wissenschaft tributpflichtig die in der Gesellschaft in der es lebt hervorgebracht wird. Es muß sich also des Besten der wissenschaftlichen Fortschritte die sich ihm darbieten bemächtigen: „Schon Lasalle hat einst gesagt: Erst wenn Wissenschaft und Arbeiter, diese entgegengesetzten Pole der Gesellschaft, sich vereinigen, werden sie alle Kulturhindernisse in ihren ehernen Armen erdrücken.“ [3] Dieses unterstellt unvermeidlich ein konsequentes theoretisches Bemühen. Wenn man sich mit den besten Werken beschäftigt die die Arbeiterbewegung hervorgebracht hat, können wir feststellen das sie das Resultat jahrelanger Untersuchung und Lektüre sind um die Errungenschaften der Epoche zu assimilieren. So hat Engels es, nur für die zweite Auflage seiner Arbeit „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“ für nötig erachtet „die ganze betreffende Literatur seit 8 Jahren neu durch [zu] nehmen“ um dessen “Quintessenz in das Buch hinein [zu] verarbeiten.” [4]
3) Da der Marxismus in einer Klassengesellschaft geboren wird die in der bürgerlichen Ideologie badet, sind diejenigen die ihn anwenden fortwährend ihrem Einfluß und ihren Konzepten ausgesetzt. Die Wissenschaft ist weit davon entfernt „neutral“ zu sein, sie wird von allen sozialen Vorurteilen gekennzeichnet; ihre Gesichtspunkte korrespondieren bei Langem nicht mit denen der Arbeiterklasse. Darum hat sich der Marxismus das Beste der menschlichen Erkenntnis immer auf kritische Weise angeeignet: Wenn Marx und Engels es verstanden haben um die Elemente des Fortschritts in der Wissenschaft ihrer Epoche ans Licht zu bringen, haben sie diese auch immer von den philosophischen oder religiösen Vorurteilen einer anderen Zeit entkleidet. Obgleich er alle anthropologischen Studien in Bezug auf das Thema seiner Arbeit über den „Ursprung der Familie...“ gelesen und in sich aufgenommen hatte, vergaß Engels nicht: „Eine größere gegenseitige Assekuranzgesellschaft als die Prähistoriker gibt’s nicht. Es ist ein Lumpenpack, das die Kamaraderie und den Cliquenboykott international betreibt, was bei der relativ geringen Zahl angeht.“ [5]
4) Als das Werk einer Klasse die als Instrument ihrer Emanzipation nichts anderes besitzt als ihr Bewußtsein und ihre Organisation, impliziert die proletarische Revolution eine kollektive Bewegung und eine massenhafte Umgestaltung der Bewußtseinsinhalte. Ihr Herz und ihre Seele entwickeln sich also unweigerlich durch die Diskussion und die Konfrontation der Ideen, ohne welche die Arbeiterklasse nicht zu Klarheit kommen könnte über die Ziele und Mittel ihrer Kämpfe: „[...] Zahlen fallen nur in die Waagschale, wenn Kombination sie vereint und Kenntnis sie leitet.“ [6]
Bedauerlicherweise ist die vorrangige Aufgabe um aufs neue die Vertiefung des Marxismus in Angriff zu nehmen von den Gruppen der Internationalistischen Kommunistischen Linken die im Laufe der 1970er Jahren erschienen sind, oder sich entwickelt haben, weder begriffen noch aufgenommen worden.
So muß festgestellt werden daß es, einigen lobenswerten Initiativen zum Trotz, diesen Gruppen weder gelungen ist einen Ort der gemeinschaftlichen Debatte zu schaffen, noch um die ihnen aus ihrer Geschichte überlieferten Differenzen zu klären. Vierzig Jahre nach Mai 1968 sitzt jede Gruppe noch immer neidisch auf ihrem Erbteil herum und entwickelt ihre eigene Politik, unabhängig von den anderen oder gar in Konkurrenz zu ihnen. Diese Feststellungen zeigen sich in sechs bedeutenden Schwächen, die die Gesamtheit ihrer Aktivitäten und Stellungnahmen kennzeichnen:
1) In Abwesenheit einer kritischen Bilanz der Wissenschaften seit beinahe einem Jahrhundert, verbreitet die Internationale Kommunistische Linke zahlreiche überalterte Konzepte in vielen Themen. Um bei dem zitierten Buch von Engels zu bleiben: die Schriften dieser Strömung wiederholen unabänderlich dessen Inhalt und alle seine Schlußfolgerungen, einschließlich zahlreiche Konzepte und Visionen die heutzutage vollkommen obsolet geworden sind. Als Beispiel kann man anführen: die vermeintlich kommunistische und solidarische Organisation der ersten menschlichen Gemeinschaften, die Gruppen-Ehe, die Gleichheit zwischen den Geschlechtern bei den Vorfahren, ihre Degradierung für die Frauen in Folge des Auftretens des Privateigentums, die gleichzeitige Geburt der Sklaverei und des Staates im altertümlichen Griechenland, und so weiter. Alle diese Hypothesen und ihre politischen Folgerungen, die mit Sicherheit zu ihrer Zeit Neuerungen darstellten, sind heutzutage völlig überholt, und müssen von einem qualitativ höher stehendem Begriff des historischen Materialismus aus aktualisiert werden. Indem man sich streng an den Buchstaben der Gründerschriften hält, verrät man deren Geist, tritt man auf als dogmatischer Verteidiger eines fixierten Marxismus. Eine solche Herangehensweise kehrt sich mehr vom Marxismus ab, als daß sie ihn verteidigt.
2) „Es war Mitternacht im Jahrhundert“ sagte Victor Serge nach den Niederlagen die die Arbeiterklasse am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts erlitten hatte. Diese Niederlage war sowohl physisch wie theoretisch, denn dem Stalinismus ist es gelungen dem Marxismus sein Monopol und seinen Einfluß über einen ganzen Zeitraum auf zu oktroyieren. Dem bewundernswerten Widerstand einiger Minderheiten auf der Ebene der politischen Positionen zum Trotz haben bestimmte pervertierte Konzepte und Visionen des Marxismus innerhalb der Internationalistischen Kommunistischen Linken die Runde gemacht. Dieser Einfluß drang um so einfacher unter seinen heutigen Erben vor, als diese Minderheiten nicht die Gelegenheit gehabt haben um eine Arbeit der Ausarbeitung und der Aktualisierung der Grundlagen des Marxismus fortzusetzen, weil ihre Prioritäten an erster Stelle den politischen Lehren aus der Niederlage der revolutionären Bewegungen von 1917 bis 1923 galten, und dem Widerstand gegen die physische Unterdrückung und den Folgen des Zweiten Weltkrieges (Auswanderung, Zerstörung, Tote, Deportation...).
3) Diese Schwächen machen die heutigen Gruppen die sich in die politische Kontinuität dieser Strömung stellen besonders anfällig für das Eindringen von Konzepten die dem Proletariat fremd sind, wenn sie sich aufs neue mit all diesen Fragen auseinandersetzen, die seit beinahe einem Jahrhundert in der Schwebe gehangen haben. Die Versuchung ist also groß um Konzepte aus dem vorherrschenden Denken zu übernehmen, in der Suche nach antworten auf Fragen die der Marxismus seit Langem nicht mehr auf die Tagesordnung gestellt und vertieft hat.
4) Die Gruppen der Internationalistischen Kommunistischen Linken haben die Lehren aus der Niederlage der revolutionären Bewegungen von 1917 bis 1923 in unterschiedlicher Weise gezogen. In bestimmten Fragen stehen sie einander sogar diametral gegenüber. Es genügt um die Schlußfolgerungen ihrer zwei Haupt-zweige an zu führen: die Italienische und die Deutsch-Holländische kommunistische Linke. Ihre Vertiefung und Klärung sind also noch längst nicht abgeschlossen. Einiger lobenswerter Versuche zum Trotz (die im wesentlichen während der 1970er Jahre, und danach nur auf marginale Weise unternommen sind) ist auf dieser Ebene seitdem kaum etwas geleistet worden.
5) Nur die umfangreichste Debatte und Konfrontation im revolutionären Milieu können zur Überwindung all dieser Schwächen beitragen. Bedauerlicherweise müssen wir auch hier feststellen daß es vierzig Jahre nach Mai 1968 keinen gemeinschaftlichen Ort der Debatte für die Internationalistische Kommunistische Linke gibt. Viele Gruppen starren einander weiterhin störrisch an, während einige unter ihnen sich selbst (ihre Organisation mit ihren Kontakten), als die Armatur der neuen Partei betrachten! [7]
6) Diese Rückständigkeit und Mangelhaftigkeit, sowohl auf der theoretischen wie auf der Organisations-ebene, zeigt sich in einer immer größeren Diskrepanzen zwischen den Anforderungen der historischen Situation, der Hinterfragung durch die neuen Generationen, und der Schwäche, gar der Dürftigkeit der politischen und organisationellen Antworten die von den Gruppen der Internationalistischen Kommunistischen Linken hervorgebracht werden.
Diese Diagnose stellt enorme Herausforderungen, auf denen Kontroversen, mit seinen schwachen Kräften, so gut wie möglich zu antworten versucht. In diesem Kontext stellen sich unsere Aktivitäten und Schriften seit der Gründung unseres Forums im Frühjahr 2009, mit denen wir dazu beitragen wollen um den politischen und organisatorischen Rückstand der revolutionären Vorkämpfer auf zu hohlen.
Wir haben dazu eine Internet-Seite und eine mehrsprachige Zeitschrift gegründet, dessen Inhalt sich an den genannten Hauptaufgaben der Stunde orientiert. So ist die Nummer 2 von Controverses (französische Ausgabe, September 2009), insgesamt diesem dringenden Bedarf der politischen und theoretischen Entwicklung der Grundlagen des Marxismus gewidmet.
Parallel dazu haben wir eine Reihe von Interventionen und Aktivitäten durchgeführt, deren wichtigstes Ziel daraus bestand die Debatten und Annäherungen zwischen allen revolutionären Kräften zu fördern. Wir kommen darauf in unseren nächsten Ausgaben zurück. Im Wesentlichen haben wir unsere Presse verbreitet und Diskussionsveranstaltungen zusammen mit verschiedenen Gruppen der Internationalistischen Kommunistischen Linken abgehalten.
Insbesondere haben wir einen guten Teil unserer Anstrengungen darauf angewandt den „Aufruf an das pro-revolutionäre Milieu“ der Gruppe Internationalist Perspective / Perspective Internationaliste zu unterstützen und daran teilzunehmen. Diesen Aufruf haben wir in vier Sprachen übersetzt und veröffentlicht, um zu seiner Verbreitung beigetragen. Verschiedene Treffen die diesen Aufruf, wie auch andere Fragen, zum Thema hatten, haben inzwischen schon in Brüssel, Paris und Berlin stattgefunden. Andere sind in Vorbereitung. Der Leser kann sich eine erste Vorstellung davon bilden, indem er unsere Antwort an IP liest (in der ersten Ausgabe dieser Zeitschrift); alle anderen Reaktionen zur Kenntnis nimmt [8], wie auch die erste Bilanz ihrer Initiative durch Internationalist Perspective. [9]
Diese Ausgabe eröffnet mit einem Artikel der die marxistische Analyse der Wurzeln der heutigen Wirtschaftskrise illustriert, und der eine Antwort gibt auf deren vorherrschende Erklärungen: handelt es sich um eine Finanzkrise oder um eine klassische Überproduktionskrise? Was sind ihre ihre Ursachen und was ist ihre Dynamik; was bringt die Zukunft? Er führt somit den theoretischen Rahmen der marxistischen Analyse der wirtschaftlichen Widersprüche des Kapitalismus weiter, der in der ersten Ausgabe dargelegt worden ist unter dem Titel „Die Wirtschaftskrise begreifen“. [10]
Das Thema des zweiten Beitrags ist praktisch gar nicht von der Internationalistischen Kommunistischen Linken behandelt worden, nämlich das Entstehen und die Rolle der Moral in der Geschichte der Menschheit. Er zeigt auf wie der Marxismus die Moral zugleich auffaßt als ein Ausdruck der widersprüchlichen gesellschaftlichen Verhältnisse die die Menschen mit einander geknüpft haben in der Produktion ihrer Existenz, wie auch als ein Produkt der Interessen einer besonderen gesellschaftlichen Gruppe. Der Beitrag versucht diese Auffassung zu vertiefen im Licht der neuesten Fortschritte der Wissenschaft, und illustriert einige ethische Fragen an Hand von Bestätigungen der Anthropologie.
Die Frage im Brennpunkt des dritten Beitrages ist die des Bewußtseins der Arbeiterklasse, er versucht zu identifizieren was seine Entwicklung im Wege steht. Jenseits den Ideologien die dem Kapitalismus eigen sind, wie die Demokratie oder der Nationalismus, versucht dieser Artikel den Kern der Ideologie des Kapitalismus als System heraus zu schälen. Die Verpflichtung für jeden Menschen um nach den Geboten des Systems zu leben, zu handeln und zu denken, erzeugt selbst eine Interpretation der gesellschaftlichen Realität, die sich dem wirklichen Bewußtsein der Arbeiterklasse als ein Hindernis gegenüberstellt.
Unser vierter Beitrag handelt von der Krisentheorie. Sie versucht den Faden einer Debatte wieder auf zu nehmen und zu erneuern, die schon lange Zeit nicht ernsthaft mehr geführt worden ist: die Kontroverse die Rosa Luxemburg um das Kapital von Marx entwickelt hat. Letzter meinte “dem Naturgesetz” der Bewegung der Gesellschaft „auf die Spur gekommen [zu sein]: […] es ist der letzte Endzweck dieses Werks, das ökonomische Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft zu enthüllen.“ [11] Die Lesart dieser Arbeit durch Rosa Luxemburg hat sie weder dazu befähigt „den Gesamtprozeß der kapitalistischen Produktion in ihren konkreten Beziehungen“ noch „ihre objektive geschichtliche Schranke“ zu begreifen. Um die ernsthaften Mängel und Widersprüche die sie im Kapital erblickt hatte zu überwinden, hat Rosa Luxemburg Die Akkumulation des Kapitals redigiert. Ziel unseres Beitrags ist es darzulegen warum es notwendig ist zum Zusammenhang der Analyse Marxens zurückzukehren an Hand einer kritischen Untersuchung der Mißverständnisse Rosa Luxemburgs. [12]
Der Artikel über die Psycho-analyse ist eine Einführung zu einer kritischen Bilanz dieser Disziplin (ihr Ursprung, Inhalt, ihre wissenschaftliche Gültigkeit oder Ungültigkeit, usw.) und zu einer Beurteilung ihrer Beziehungen zum Marxismus und ihren Einfluß auf den Marxismus. Kraft ihrer theoretischen Grundlagen und ideologischer Bedeutung stellt diese Disziplin eine Gefahr dar, die sie mit dem Marxismus unvereinbar macht.
Der Artikel über die sozialen Bewegungen im Iran [13] illustriert wie die gesellschaftliche Unzufriedenheit in diesem Land verstrickt worden ist in einem internen Konflikt zwischen verschiedenen Faktionen an der Macht. Darin antwortet er auf bestimmte Analysen die die Lage im Iran auf der gleichen Ebene stellen mit Ereignissen wie sie sich kürzlich zum Beispiel in Griechenland oder Frankreich abgespielt haben. [14]
Unser Andenken an den Genossen Mousso, der in 1979 starb, ist von der gleichen Sorge um die politische Reflexion durchdrungen: Es nimmt einen seiner Texte wieder auf, die eines der originellen theoretischen Beiträge der Kommunistischen Linke Frankreichs (GCF, 1942–1952) über den Charakter und die Rolle des Staates in der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Kommunismus zusammenfaßt.
Eine erste Lese-Notiz bringt für die neuen Generationen die Gefahr in Erinnerung sich einfangen zu lassen von bestimmten kritischen Redensarten die die Wiederverwendung von alten, stalinistischen Optionen schlecht maskieren.
Die zweite Notiz stellt eine Arbeit vor die inzwischen bei den Smolny Ausgaben erschienen ist mit dem Titel Der Urkommunismus ist nicht mehr was er mal war... (“Le communisme primitif n’est plus ce qu’il était...”) Sie kündigt sich an als ein wichtiger Beitrag zur Aktualisierung der theoretischen Grundlagen des Marxismus. Die kurze Vorstellung durch ihren Autor laut Buchumschlag: “Als der Anthropologe Lewis Morgan 1877 seine „Urgesellschaft“ veröffentlichte, waren Marx und Engels begeistert für diese erste wirklich wissenschaftliche Theorie der primitiven Gesellschaften, und damit der Vorgeschichte der Klassengesellschaften. In seinem berühmten Buch „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“ das sieben Jahre später geschrieben wurde, hat Engels dessen wichtigsten Schlußfolgerungen weitergeführt. Seine Darlegung der Entwicklung der Familie oder des Ursprungs der Unterdrückung der Frauen, sollte zur marxistischen Referenz werden. Wenn seit dieser Zeit die ethnologischen und archäologischen Entdeckungen sich gehäuft haben, wenn die einzelnen Fragmente worüber man verfügte inzwischen Platz gemacht haben für ein großes Fresko, sind jedoch die Versuche um diese Referenz auf Basis des neuen Materials zu aktualisieren, sehr seltsam geblieben. Die vorliegende Arbeit setzt sich an gerade diese Aufgabe. Ohne Gefälligkeit werden die zahlreichen überalterten Konzepte aus „Der Ursprung der Familie...“ aufgezeigt, und wird dargelegt daß die von Marx erarbeitete Methode das beste Instrument bleibt um in die weit zurückliegende Vergangenheit der menschlichen Gesellschaften durch zu dringen – und um daraus die Zukunft zu gestalten.“ (Christophe Darmangeat).
Zum Abschluß möchten wir darauf aufmerksam machen, daß all diese Beiträge sich völlig eingliedern in die zentralen Anliegen die von der heutige Periode und durch die Debatten der Gruppen der Internationalistischen Kommunistischen Linken gestellt werden. Sie beziehen Standpunkte über zahlreiche Thesen die von diesen und jenen verteidigt werden, jedoch immer in Respektierung „der Sorge eine gesunde politische Polemik zu bestimmen.“ (Bilan)
Editorial der 2. Ausgabe von Kontroversen in französischer Sprache, September 2009.
(Übersetzung: Jac. Johanson, September 2010)
[1] Bilan war das theoretische Bulletin der Italienischen Fraktion der Kommunistischen Linken. Die Zitate stammen aus der Einleitung der ersten Ausgabe, die 1933 veröffentlicht wurde.
[2] Rosa Luxemburg, Die Krise der Sozial-Demokratie, 1915. (Gesammelte Werke, Band 4, Dietz Verlag, 1983, Seite 53)
[3] Rosa Luxemburg, Vorwort zur ersten Ausgabe von Sozialreform oder Revolution?, 1899. (Gesammelte Werke, Band 1/1, Dietz Verlag, 1987, Seite 371)
[4] Brief von Engels an F.A. Sorge, 10. Juni 1891 (MEW, Band 38, Seite 111)
[5] Brief von Engels an Kautsky, 13 Juni 1891 (MEW, Band 38, Seite 114)
[6] Marx, Inauguraladresse der Internationalen Arbeiter-Assoziation (Oktober 1864)
[7] „Angesichts der Perspektive einer Politisierung des Kampfes spielen revolutionäre politische Organisationen eine einmalige und unersetzliche Rolle. Leider hat die Kombination der wachsenden Auswirkungen des Zerfalls mit seit langer Zeit bestehenden theoretischen und organisatorischen Schwächen und dem Opportunismus in der Mehrheit der politischen Organisationen des Proletariats die Unfähigkeit dieser Gruppen enthüllt, sich der Herausforderung durch die Geschichte zu stellen. […] Diese Regression ist um so ernster, als nun die Voraussetzungen für den Aufbau der kommunistischen Weltpartei gelegt werden. Gleichzeitig wirft die Tatsache, dass die Gruppen des proletarischen Milieus sich selbst immer mehr aus dem Prozess ausschliessen, der zur Bildung der Klassenpartei führt, ein Schlaglicht auf die eminent wichtige Rolle, welche die IKS zwangsläufig in diesem Prozess ausüben muss. Es wird immer klarer, dass die künftige Partei nicht das Resultat einer „demokratischen“ Addition der verschiedenen Gruppen des Milieus sein wird, sondern dass die IKS bereits das Skelett der künftigen Partei bildet.“ Zitat aus: Resolution über die Internationale Situation des 16. Kongress der IKS, 2005, Internationale Revue nr. 36.
[10] In deutscher Übersetzung erschienen in: Kontroversen nr.1 (Herbst 2009)
[11] Vorwort zur ersten Auflage des Kapital (Band 1)
[12] Auf unserer Webseite haben wir die kritische Studie Anton Pannekoeks der Theorien Rosa Luxemburgs veröffentlicht. „De ineenstortingstheorie van het kapitalisme, door Anton Pannekoek, 1934“. Dieser Text ist in niederländischer Sprache verfaßt. Die deutschsprachige Quelle lautet: Zusammenbruchstheorie des Kapitalismus oder revolutionäres Subjekt / [Karl] Korsch, [Paul] Mattick, [Anton] Pannekoek. – Berlin (West) : Karin Kramer Verlag, 1973. – S. 20-45.
[13] Der Artikel zu den Ereignissen im Iran Juni 2009 erschien in deutscher Übersetzung in: Kontroversen nr.1 (Herbst 2009).
[14] Hiermit sind Ereignisse wie z.B. der Aufruhr in Griechenland Ende 2008/Anfang 2009 gemeint. Zu den jüngeren Angriffen der internationalen Bourgeoisie seit dem Frühjahr 2010 und zur Notwendigkeit der Abwehrkämpfe der Arbeiterklasse, siehe unsere unsere Erklärung: Der Einsatz der Kämpfe in Griechenland - Die Austerität die über Griechenland her fällt erwartet alle Arbeiter. Weigern wir überall für die Krise des Kapitalismus zu zahlen! (28.03.2010)